Drieu la Rochelle, Pierre - Heimat Europa. Reiseberichte und andere Texte 1931–1942

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Mobilität – das Zeichen unserer Zeit. Wie fern sind uns dagegen jene Zeiten, in denen eine erkenntnisbringende Reise noch mit wirklichem Aufwand verbunden war. Als man noch nicht heute hier und morgen dort seine Zelte aufschlug. Der französische Schriftsteller Pierre Drieu la Rochelle (1893–1945) holt uns genau dorthin zurück – in eine Zeit, in der die Welt noch keine Instagram-Touristen kannte. Er nimmt uns mit auf eine sehr persönliche und sehr politische Reise durch seine »Heimat Europa« – und zwar in den spannendsten und konfliktreichsten Jahren des 20. Jahrhunderts.

Drieu versteht das »Reisen« nicht als Erholung, sondern als Arbeit: Er will wissen, wie die Völker seiner Zeit denken, handeln und leben. Faschistisches Italien, nationalsozialistisches Deutschland, bolschewistische Sowjetunion, multinationale Tschechoslowakei, autoritäres Ungarn – so unterschiedlich die Eindrücke ausfallen, so einheitlich bemüht um das Verständnis dieser europäischen Nationen erweist sich Drieu in vorliegendem Band. Er enthält – erstmals überhaupt auf Deutsch – die gesammelten Reiseberichte des Vernunft- und Gefühleuropäers. Und er enthüllt die »Krise« sozialer, wirtschaftlicher und nationaler Natur als Zeichen seiner Zeit.

Herausgegeben, kommentiert und mit einem Vorwort versehen von Benedikt Kaiser.

Pierre Drieu La Rochelle - Heimat Europa. Reiseberichte und andere Texte 1931-1942. Jungeuropa-Verlag, Dresden 2022, 272 Seiten, gebunden, Leinen, 24,00 €.

Europa vor dem Weltenbrand - Buchbesprechung aus N.S. Heute #32:

Pierre Drieu la Rochelle (1893-1945) gilt als der Dandy des europäischen Faschismus. In seinen Romanen stellte er vor allem die Dekadenz der französischen Bourgeoisie der Dritten Republik dar. Nach der Besetzung Frankeichs durch deutsche Truppen ging er 1940 in die Kollaboration und vertrat einen prodeutschen Standpunkt, bis er sich schließlich – desillusioniert und im Angesicht des Zusammenbruchs sämtlicher Zukunftsvisionen – im März 1945 das Leben nahm. Trotz seiner Liebäugelei mit dem Faschismus gilt Drieu in Frankreich bis heute als „umstrittener Klassiker“, 2012 wurde sein Lebenswerk sogar in die renommierte „Bibliothèque de la Pléiade“ aufgenommen.

Mit der Neuerscheinung aus dem Dresdener Jungeuropa-Verlag liegen erstmals die gesammelten Reiseberichte Drieus aus den Jahren 1931-1942 in deutscher Übersetzung vor, was den deutschsprachigen Lesern eine neue Facette an dieser faszinierenden Persönlichkeit eröffnet: Drieu nicht nur als Romancier und als Verfasser politischer Aufsätze, sondern auch als Reiseschriftsteller und Beobachter geopolitischer Umwälzungen.

Der Schriftsteller bereist Europa am Vorabend des Zweiten Weltkrieges: Das „junge“ Europa wird durch das faschistische Italien und das nationalsozialistische Deutschland repräsentiert, während die „Alte Welt“ in Gestalt von Frankreich und dem Vereinigten Königreich (das von Drieu nicht bereist wird) parlamentaristisch geblieben sind. Zum anderen wären da noch die bolschewistisch gewordene Sowjetunion sowie die „kleinen“ Donaustaaten Ungarn und Tschechoslowakei, die der Bedrohung ausgesetzt sind, zwischen den gewaltigen Machtblöcken zerrieben zu werden. Dies ist die politische Lage, wie sie sich für Drieu darstellt, der sich selbst als „Vernunfteuropäer“ sieht, doch anhand seiner Texte auch als schwärmerischer „Gefühlseuropäer“ erkannt wird, wie es im Vorwort des profunden Drieu-Kenners Benedikt Kaiser heißt.

Zum Deutschen Reich pflegte Drieu ein eher ambivalentes Verhältnis: Im Grunde fand er den NS-Staat zu bürgerlich, er meinte ein Lavieren zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu erkennen, doch immerhin findet er Anerkennung für den nationalsozialistischen Baustil. Der „faschistische Stil“ ist es auch, der den späten Drieu zu einem Sympathisanten des italienischen Faschismus machte: Er berichtet über das gewaltige Aufbauwerk in Italien, über soziale Errungenschaften und Fortschritte in der Landwirtschaft. Der Syndikalismus scheint es ihm besonders angetan zu haben: Im italienischen Faschismus gab es getrennte Gewerkschaften für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die sich allerdings nicht antagonistisch gegenüberstanden, sondern gemeinsam für das „große Ganze“ an einem Strang zogen (oder ziehen mussten).

Und wie sieht der „faschistische Dandy“ die Sowjetunion? Drieu meint einige vermeintliche „Parallelen“ zwischen Bolschewismus und Nationalsozialismus zu erkennen, was bei genauerer Betrachtung jedoch sehr konstruiert wirkt. Auch wenn die traditionellen familiären Werte, die in Sowjetrussland gepflegt worden sein sollen, eher für „rechtes“ Denken sprechen, kann jedoch nicht darüber hinweggegangen werden, dass es sich beim NS/Faschismus auf der einen und beim Bolschewismus auf der anderen Seite um die zwei großen ideologischen Gegenspieler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts handelte, was den Parlamentarismus schließlich zum „lachenden Dritten“ machte.

Abschließend können wir Drieus Weltbild zusammenfassen, dass er sich eher als Paneuropäer und nicht als Nationalist gesehen hat. „Paneuropäisch“ war Drieu natürlich nicht im Sinne des unseligen Grafen Coudenhove-Kalergi, sondern sein „paneuropäisches“ Weltbild war schwärmerischer, idealisierender, romantisierender, kurz: faschistischer. Die in diesem Band zusammengestellten Aufsätze zeigen einen Drieu, der für ein sozialrevolutionäres und föderalistisch grundiertes Europa eintritt, im Geiste der europäischen Einigung. Diese Sehnsucht brennt weiter in den Herzen derjenigen, die heute für eine europäische Erneuerung kämpfen.

Diesen Artikel haben wir am 01.07.2022 in unseren Katalog aufgenommen.

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